Unfreiwillig in Johannesburg – TEIL I

Dieser Blogeintrag ist Bonusmaterial zu meinem Buch >ÜBERLEBEN<

Denn diese spannende und auch etwas lustige Geschichte hat ganz einfach nicht mehr ins Buch gepasst. Aber zum Glück doch noch seinen Weg auf meinen Blog gefunden.

Erster Teil meiner Bonus-Stroy “Unfreiwillig in Johannesburg”.

Viel Spaß beim Lesen!

Care for Wild - Rhino Sanctuary
Gerade eben noch auf der Rhino Sanctuary abseits der Zivilisation. (Foto: Tom Bickles, Februar 2017)

Orientierung: Gerade eben habe ich die Nashorn-Auffangstation im tiefen südafrikanischen Busch verlassen. Die viele körperliche Arbeit brennt noch in meinen Muskeln. Der „Rhino-War“ und hundert andere Eindrücke drehen sich in meinem Kopf, als ich mich auf den Weg nach Johannesburg mache. Von dort aus soll es weiter gehen ins Nachbarland Namibia, genauer gesagt nach Windhoek. Von der namibischen Hauptstadt werde ich dann weiterreisen auf die Auffangstation in der Kalahari, zurück zu den Raubkatzen und Wildhunden. Soweit der Plan.

Landung in der berüchtigten Stadt Johannesburg. Der Flug, mit dem ich ankomme, wäre fast wegen Unwetter abgesagt worden aber wir hatten Glück und die Maschine konnte abheben bevor das Gewitter den kleinen Flughafen erreichte.

„Joburg“ wie ihr Spitzname lautet, ist nicht wirklich eine Stadt, die mich reizt, aber sie ist nun mal ein Knotenpunkt für den Flugverkehr im südlichen Afrika. Die Stadt galt einige Jahre als gefährlichste Stadt der Welt, zusammen mit den hier erfahrenen Erlebnissen die mir ein paar Leute von der Nashorn-Auffangstation im Vorfeld erzählt haben wirkt die Stadt nicht gerade einladend und alles andere als sicher. Beim Hinflug hatte ich gerade mal vierzig Minuten Zeit zum „umsteigen“ in meine nächste Maschine Richtung Nashorn-Auffangstation und auch jetzt bin ich froh, dass ich hier nur ein paar Stunden Aufenthalt am Flughafen habe bevor es um halb acht abends weiter nach Namibia geht.

Okay Sebastian jetzt bist du nicht mehr im tiefen Busch, sondern in der Zivilisation, sage ich zu mir selbst und beobachte die mir fremd gewordenen hektischen Menschenmassen. Ich schaue auf die Uhr, fast vier Stunden noch bis zum Abflug, mehr als genug Zeit um die paar Kleinigkeiten, die ich mir auf einer Liste zusammen geschrieben habe zu besorgen. Unter anderem brauche ich ein neues Tagebuch, Sonnencreme, eins zwei Souvenirs und eine neue Kappe wäre auch gut. Meine alte ist durch Schweiß, Dreck und die starke Sonne ziemlich „fucked up“.

Vertraute Laute in Johannesburg

Während ich den Schildern folge höre ich es plötzlich wieder, vertraut und doch fremd – die deutsche Sprache. Tatsächlich kleine Touristengruppen in karierten Kurzarmhemden, mit unter den Arm geklemmten Jack-Wolfskin Jacken und schlecht gelaunten Gesichtern überholen mich. Ja das sind sie, die Deutschen, denke ich und vergesse kurz das ich selbst einer bin. Nur die weißen Tennissocken in Sandalen sehe ich zum Glück nicht, hat sich wohl endlich nach ein paar Jahrzehnten überall herumgesprochen wie bescheuert das aussieht. Ich fühle mich fast wie ein Naturforscher, der eine äußerst interessante Spezies beobachtet, meine eigene.

Breitmaulnashorn Bulle by Sebastian Hilpert
Die Spezies mit der ich in den Wochen vor Johannesburg am meisten zu tun hatte.

Den weitläufigen Flughafen erkundend, bleibe ich immer dann lauschend stehen, wenn ich eine Touristengruppe deutsch sprechen höre. Denn ich freu mich nach den vielen Wochen, in denen ich mich auf Englisch austauschen konnte jetzt wieder meine vertraute Sprache zu hören. Doch was ich höre schockt mich, mehr als achtzig Prozent der Gespräche und Äußerungen sind negativ. Sie alle sind mit ihren sauberen Klamotten auf dem Weg in den Urlaub oder kommen gerade aus diesem und haben nichts Besseres zu tun als sich am laufenden Band über Lächerlichkeiten zu beschweren. Sie meckern über die Kaffeepreise der Restaurants, sie sind unzufrieden darüber, dass niemand vom Flughafenpersonal deutsch spricht (Hallo wir sind hier in Südafrika und nicht auf Sylt!) und sie wirken fast alle enorm gehetzt, sind aber gleichzeitig genervt davon, dass sie „noch solange“ auf ihren Flug warten müssen.

Ich selbst stehe mit meiner oliv und khakifarbigen Kleidung, aus der der Dreck der letzten Wochen nur notdürftig gewaschen ist, daneben und staune. Der Großteil meiner Landsleute fliegt offensichtlich nur in den Urlaub, um zur Abwechslung auch mal außerhalb von Deutschland schlechte Laune zu haben. Ich bin wirklich entsetzt. Natürlich gibt es auch Ausnahmen aber die meisten der vierzig bis siebzig Jährigen sind hier von Grund auf negativ. Und aus dieser Altersklasse kommen mit Abstand die meisten der deutschsprachigen Touristen, die mir hier begegnen. Bin ich auch so? War ich mal so? Grundsätzliche Negativität trotz Luxus? Uns geht es im Vergleich zu den allermeisten Ländern doch verdammt gut. Wir sind ein demokratischer Rechtsstaat, haben immer fließend Wasser, Strom und eine funktionierende Infrastruktur. Wir haben sogar ein Sozialsystem und ein Gesundheitssystem. Auch wenn diese beiden Systeme sicherlich ausbaufähig sind, wir haben sie und das ist keine Selbstverständlichkeit. Milliarden Menschen in anderen Ländern können von unseren Sicherheiten und Freiheiten nur träumen. Doch statt das zu schätzen meckern wir lieber, suchen nach dem Haar in der Suppe und haben scheinbar Angst vor jeder Art von Veränderung.

So etwas passiert nur anderen

Mich beschäftigt das auffallend negative Verhalten der deutschen Touristen so sehr, dass ich fast die Zeit vergesse. Kontrolle, die Uhr sagt mir, dass ich noch dreißig Minuten bis zum Boarding habe, genug Zeit, um nach einer neuen Kappe in dem Outdoorshop zu sehen. Aus den Lautsprechern krächzen immer wieder mal halb verständliche Durchsagen, meist Personenaufrufe die Gefahr laufen ihre Flieger in Kürze zu verpassen. Ich frag mich wer so knapp anreist, dass er wirklich Gefahr läuft seinen Flug zu verpassen. Klar kann immer wieder mal etwas dazwischenkommen, aber das muss man eben mit genug Puffer einkalkulieren. Flug verpassen, nein so etwas wird mir mal nicht passieren.

Ich finde und bezahle eine grüne unkomplizierte Kappe. Nach etwas Smalltalk mit der Verkäuferin will ich gerade wieder mein Flugticket einstecken, welches man zum Zahlen vorzeigen muss als ich nochmals auf die Abflugzeit schaue. Die jetzt ist! Ströme von Hitze und Kälte durchfahren mich wellenartig von einer auf die andere Sekunde. Ich stürme so schnell ich kann in Richtung meines Flugsteiges. Weiche erschrockenen Menschengruppen aus und bleibe an eins zwei unvorsichtigen Personen hängen. Verdammt war ich wirklich so sehr abgelenkt, dass ich ausversehen die Abflugzeit mit Boardingzeit verwechselt habe?! Ja war ich verflucht nochmal! Ich haste die Treppen hinunter zu meinem Flugsteig, aber ich kann bereits sehen, dass er geschlossen ist, kein Mensch steht mehr dort.

In Südafrika, zurück nach Südafrika…

Was mach ich jetzt? Ich steuere die erste Flughafenmitarbeiterin an die ich finden kann. Sie erklärt mir, dass ich zur Information Station muss, evtl. gibt es ja heute einen weiteren Flug nach Windhoek auf dem noch ein Platz frei ist. Okay, das mach ich, denke ich mit stark erhöhtem Puls und ärgere mich unendlich über mich selbst. Verschwitzt und gestresst erreiche ich die Information. Der Mitarbeiter teilt mir mit, dass heute kein weiterer Flug nach Namibia geht, ich habe den letzten des Tages verpasst. Fuck! FUCK!! FUUUCK!!! „Sie müssen bei der Airline einen neuen Flug für Morgen buchen, heute geht definitiv nichts mehr.“ sagt er freundlich. Heute geht nichts mehr, ich versuche das zu verarbeiten, das bedeutet ich muss in Johannesburg übernachten! Aber wo? „Doch zuerst müssen sie wieder in Südafrika einreisen.“ ergänzt er noch. „Ich muss was?“ frage ich völlig verwirrt. Ich befinde mich doch noch in Südafrika. „Laut Reisepass sind sie bereits ausgereist und befinden sich in Richtung Namibia. Sie müssen jetzt erst mal wieder rückwärts durch alle Kontrollen bis zur Passkontrolle und sich dort eine Verlängerung von mindestens einem Tag geben lassen.“

Sebastian Hilpert pflegt Gepard in Namibia
Ziel meines verpassten Fluges – die Auffangstation in Namibia auf der ich bereits 2015 arbeitete.

Als passenden Soundtrack für meine folgende einstündige abendliche Hetzjagd durch den Flughafen von „Joburg“ würde ich wohl etwas von KORN wählen. Laut, hektisch aggressiv, ja das würde passen.

Mit rotem Gesicht und schwitzend haste ich durch die Gänge des Flughafens und frage mich im kurzen Kommandoton kommunizierend von einer Stelle zur nächsten. Währenddessen telefoniere ich mit Lisa (meine damalige Partnerin), die mein unerwarteter Anruf in der heißen Badewanne im eiskalten Deutschland überraschte. Sie wiederum kontaktiert meinen Reiseagenten, Herrn Grün. Einer der wohl am meist entspannten Menschen Mitteleuropas. Er erklärt mir in völlig ruhigen Ton, dass eine Sache in Johannesburg elementar ist. Das Gepäck! Ist es hier einmal weg taucht es auch nicht wieder auf. „Aber ist das nicht jetzt schon auf dem Weg nach Namibia?“ will ich von ihm wissen. „Nein, wenn sie nicht an Bord gegangen sind wird Ihr Gepäck wieder entladen. Finde sie ihr Gepäck als erstes, alles andere können wir danach regeln. Ich schaue mich schon mal für Sie nach verfügbaren Hotels in Johannesburg um.“ Gut, seine Ruhe ist so stark das sie ansteckend wirkt.

OFF LOADED

Mittlerweile bin ich auch wieder laut meines Reisepasses in Südafrika. Auf der Suche nach meinem Gepäck werde ich immer weiter in die Eingeweide des Flughafens gelotst. Andere Touristen sehe ich hier gar nicht mehr. Hin und wieder sitzen ein paar sehr entspannt wirkende Flughafen Mitarbeiter auf Plastikstühlen und sorgen dafür, dass ich mich nicht völlig verlaufe. Endlich komme ich in eine Halle in der sicherlich zwei bis dreihundert Gepäckstücke aufgereiht in zwei Linien liegen. „Alle von heute“ sagt ein an der Wand lehnender grinsender Mann mit Sicherheitsweste. Ich gehe die Gepäckreihen ab, doch mein olivfarbener skandinavischer Wanderrucksack ist nicht dabei. Der Sicherheitswesten-Typ sagt, dass ich es noch in einem Bereich ca. 200 Meter von hier versuchen kann, das wäre die letzte Möglichkeit wo mein Gepäck sein könnte. „Und wenn es dort nicht ist?“

Er zuckt mit den Schultern, okay nicht aufgeben weiter gehen. Ich erreiche nach 200 Metern eine Einbuchtung, in der ein einzelner grauhaariger Mitarbeiter sitzt, neben ihm sind genau drei Gepäckstücke, meines ist nicht dabei. FUCK! Brülle ich in Gedanken. Was mach ich jetzt? Eine Klappe im Boden hinter dem Mann wird plötzlich von außen aufgeschoben. Lauter Fluglärm schlägt uns aus der Luke entgegen und ich kann ein Stück Flugbahn sehen. Ein Rucksack wird von außen in die Einbuchtung gehoben. Er ist olivgrün ein großer roter Aufkleber klebt auf ihm. „OFF LOADED“ steht darauf. Ich atme auf, es ist tatsächlich meiner.

Fortsetzung der Story

Ende des ersten Teiles meiner Zusatzstory, wie es weiter geht, welche komischen Gestalten mir noch in der Stadt begegnete, warum mein Flug nicht umgebucht wurde und wo ich überhaupt übernachten konnte – alles nächste Woche im Teil II von “Unfreiwillig in Johannesburg”.

“UEBERLEBEN” THE BOOK

IT’S SO FAR! MY BOOK IS HERE!!!

I’m bursting with excitement and joy! After almost one and a half years of intensive work, my first book has now been published! As you can see in the video above I am a little short of words! The feelings simply go crazy…

All my adventurous experiences in Namibia and South Africa have flowed into this incredibly important heart project. I am so happy to finally be able to share everything with you! Intense felt Africa, extraordinary wildlife encounters, backgrounds to safari, volunteer work, hunting and poaching. Simply, about life and survival there. Written as close, honestly and personally as I could. In addition many impressive photos and further bonus material! Just have a look! The book is available in all bookstores in Germany, Austria and Switzerland. Otherwise it is of course also available online.

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The official book description:

“Deep in southern Africa, in the midst of breathtaking landscapes, where cheetahs clean his head, meerkats bite his Achilles tendon and he meets a black rhino on foot, Sebastian Hilpert experiences adventures he never could have imagined. He had been a soldier for twelve years and in the end had distanced himself so far from himself that he plunged into a depression. The path of spiritual healing leads him to orphaned cats of prey in the Kalahari and on to a rhino sanctuary in South Africa, where the Rhino War, the war for the last rhinos, rages mercilessly. As a volunteer he takes care of orphaned and injured animals, raises caracals and rhinos with a bottle and learns first-hand about the harshness of nature as well as the unscrupulousness of poachers. Later he travels as a photographer through the impressive vastness of Namibia and works as a gamekeeper in a wildlife reserve. A book full of commitment and adventure in almost untouched nature and at the same time a story of inner growth that reminds us of the responsibility we bear: towards the living creatures of this earth and ourselves”.