ZWISCHEN RAUBKATZEN UND NASHÖRNERN

Sebastian Hilpert mit Geparden in Namibia - Würzburger Stadtmagazin LIEBE NACHBARN
Zwischen Raubkatzen…

Erdmännchen die sich in meiner Achillessehne verbeißen, Geparden die mir mit ihrer rauen Zunge den Kopf putzen, übelriechende Afrikanische Wildhunde die mich in Stücke reißen wollen, rotzfreche Paviane die einem in die Unterhose greifen, ein schnarchendes ultraseltenes Pangolin, niedliche Karakale und verwaiste Breitmaulnashörner die ich mit der Flasche aufziehe, eine respekteinflößende Leopardin die sich von mir unter dem Kinn kraulen lässt, Löwen, Nilpferde und Spitzmaulnashörner denen ich zu Fuß begegne, unterschiedlichste Menschen aus aller Welt die ich auf den verschiedensten Abenteuern im Busch des südlichen Afrika kennenlerne. All das sind nur ein paar Beispiele, die ich erlebt habe und über die ich in meinem ersten Buch schreibe.

Vor ein paar Jahren hätte ich niemals gedacht, dass ich solche Erfahrungen sammeln würde. Echte Abenteuer, Afrika selbst erleben und dann auch noch in solch intensiver Art, nein das hätte ich nicht für möglich gehalten. Bevor ich meinen ersten Aufenthalt in Namibia plante, dachte ich Träume verwirklichen, das ist nur etwas für andere. Davon war ich wirklich überzeugt.

Doch es kam anders, es musste anders kommen, denn durch dieses angepasste, meinem Wesen nicht entsprechende, Leben hatte ich mich schon so weit von mir selbst entfernt, dass ich mitten in einer Depression steckte. Aus der ich mich jedoch in dem kommenden Jahr heraus kämpfen sollte.

JETZT ins Abenteuer – vielleicht kommt man später nicht mehr dazu…

Dabei hätte es doch alles weiterhin so bequem sein können. Nach 12 Jahren als Soldat hätte ich mich entscheiden können Berufssoldat zu werden. Es gab auch die Möglichkeit direkt in den öffentlichen Dienst zu wechseln. Um dort in einem Amt oder einer Behörde am Schreibtisch zu sitzen, um auf die vermeintliche Rente zu warten. Oder die Dritte – scheinbar vernünftige Variante – wäre die gewesen mich einfach mit meinem Diplom zum Wirtschaftsinformatiker gleich in die freie Marktwirtschaft zu werfen. Damit würde ich wohl mit Abstand am meisten Geld verdienen. Doch stattdessen ging ich erst ins südliche Afrika. Immer und immer wieder und zwar auf eigene Kosten. Insgesamt sieben mal bereiste ich Namibia und Südafrika innerhalb von nur dreieinhalb Jahren. Arbeitete schwitzend unter der brennenden afrikanischen Sonne monatelang als Volontär auf Wildtierauffangstationen. Erkundete die staubige Kalahari als Fotograf und ging am Ende als Wildhüter auf blutige Patrouillen in einem privaten Wildtierschutzgebiet.

Sebastian Hilpert mit einem Spitzmaulnashorn in Namibia - Würzburger Stadtmagazin LIEBE NACHBARN
… und Nashörnern

„ONLY FOOD RUNS“

Ich werde immer wieder nach der gefährlichsten Situation gefragt, in der ich war. Schwer zu sagen, es gibt ja viele unsichtbare Gefahren denen man sich evtl. in dem Moment gar nicht bewusst war. Verborgene giftige Schlangen, Spinnen, ein Raubtier das man im Busch evtl. gar nicht bemerkt hat während man ein paar Meter entfernt an ihm vorbei lief. So etwas eben. Ich könnte jetzt nicht sagen welche lebensbedrohliche Situation, die ich in meinem Buch beschreibe, jetzt die gefährlichste davon war.

Was mir in allen Erlebnissen Sicherheit gegeben hat waren die verschiedenen Verhaltensregeln, die ich über die Zeit gelernt habe. So zum Beispiel: „Only Food runs“ – Die mit Abstand wichtigste Regel im Umgang mit Raubtieren. Wer wegrennt zeigt seine Schwäche, seine Unterlegenheit. Außerdem weckt er automatisch den Instinkt beim Räuber die fliehende Beute zu jagen. Davonkommen schafft man sowieso nicht. Deshalb gilt, wenn du einem Raubtier begegnest, wie einem über 200 kg schweren Löwen, kannst du viel machen: z.B. beten, laute, der Großkatze fremde Geräusche erzeugen, dein Gewehr (falls du eins hast) in Anschlag nehmen und hoffen, dass du es nicht brauchst, dir vor Angst in die Hose machen, was auch immer, aber eines tue niemals! Wegrennen – Denn nur Beute rennt! Und da kannst du nur verlieren. Usain Bolt, der schnellste Mensch der Welt, schafft vierundvierzig Stundenkilometer, ein Löwe über achtzig.

Und die schwere Raubkatze ist noch nicht mal das schnellste, sondern nur das größte Raubtier Afrikas. Bei anstürmenden Spitzmaulnashörnern oder Nilpferden gelten jedoch andere Regeln…

Aber nicht nur um das eigene Überleben im afrikanischen Busch geht es in meinem Buch mit dem Titel: „ÜBERLEBEN“, sondern wie bereits angedeutet auch um das Überdenken, Überwinden und Überleben falscher Lebenswege. Am meisten jedoch um das Überleben der afrikanischen Wildtiere, deren Lebensraum immer geringer wird. Viele stehen kurz vor dem Aussterben wie zum Beispiel das Nashorn, das Pangolin oder der Afrikanische Wildhund. Andere wie der Gepard, der Leopard oder das Nilpferd sind auf dem direkten Weg dorthin.

Sebastian Hilpert mit Wildhüter Louis in Namibia - Würzburger Stadtmagazin LIEBE NACHBARN
Zum Schutz der Nashörner – Auf Busch-Patrouille in Namibia.

RHINO-WAR

Ich setzte mich immer wieder den verschiedensten Gefahren aus. Wieso? Die Antworten sind vielfältig. Weil ich etwas Sinnvolles, etwas Lebendiges tun wollte. Ich diese berauschenden Landschaften und ihre einmaligen tierischen Bewohner fotografisch festhalten wollte und weil ich die Hintergründe im Konflikt zwischen Wildtier und Mensch, sowie der Wilderei selbst erkennen wollte. Darüber echtes, ungefiltertes Wissen erlangen wollte! Einen Beitrag zum Schutz dieser, mich so faszinierenden, Geschöpfe leisten wollte! Weil ich nicht tatenlos beim Aussterben der letzten Nashörner auf unserem Planeten zusehen wollte und auch zukünftig nicht möchte.

Denn in Afrika herrscht Krieg. Ein von uns in Europa wenig beachteter Krieg. Ein Krieg um die letzten Nashörner. Und dieser hat einen eigenen Namen: „Rhino-War“. Es ist ein recht ungleicher Kampf. Auf der einen Seite steht das wohl organisierte skrupellose internationale Verbrechen, auf der anderen Seite die so gut wie wehrlosen Nashörner. Dazwischen eine dünne Linie unterbezahlter staatlicher Wildhüter und Soldaten, sowie nicht staatliche Antiwilderer-Organisationen und Besitzer privater Wildtierschutzgebiete mit ihren Angestellten. Erschwert wird der Kampf gegen die Wilderer häufig durch korrupte Regierungen und Behörden, die mitverdienen, z.B. in Südafrika.

Wie dramatisch das Sterben der Nashörner ist lässt sich einfach in Zahlen darstellen. Nehmen wir z.B. das Spitzmaulnashorn. Das kleinere, aggressivere der beiden noch existierenden afrikanischen Nashornarten, welches auf dem Cover meines Buches zu sehen ist. Um 1900 gab es auf dem ganzen Kontinent noch in etwa 850.000 Stück dieser Art. In den 1960 Jahren ging der Bestand auf 80.000 Stück stark zurück. Heute sind es nur noch 5000 in ganz Afrika! Innerhalb eines Jahrhunderts hat der Mensch es durch unkontrollierte Jagd und jetzt vor allem durch Wilderei bis kurz vor die Ausrottung getrieben!

DER GRUND

Aber was ist der Grund für diesen ganzen Wahnsinn? Geld. Der Preis auf dem Schwarzmarkt für ein Kilo Horn liegt bei rund fünfundfünfzigtausend US-Dollar aufwärts. Er ist höher als der von Gold oder Kokain, Horn zählt zu den teuersten Elementen auf dieser Welt. Rebellen- und Terrororganisationen finanzieren sich sogar mit den Hörnern der Tiere. Sie stehen somit auf der gleichen Stufe wie die sogenannten Blutdiamanten. Aber wer will überhaupt diesen »Rohstoff«?

Breitmaulnashorn in Namibia - Sebastain Hilpert - Nashörner
Trotz tonnenschweren Gewichts schutzbedürftig – das Nashorn

Wer zahlt Unmengen an Geld für etwas, das einem Tier aus dem Gesicht gehackt wurde, um es im Anschluss verbluten zu lassen? Wenn es nicht schon vorher tot war, durchsiebt von großkalibrigen Gewehren, ausgestattet mit Schalldämpfern.

Die Käufer sitzen in ostasiatischen Ländern, allen voran China und Vietnam. Hier wird durch eine fehlgeleitete traditionelle Medizin dem Horn des Tieres eine heilende Wirkung zugeschrieben. In Vietnam wird sogar behauptet, es heile Krebs. Die Regierungen dieser Länder haben offensichtlich kein Interesse daran, ihre Bevölkerung darüber aufzuklären, dass mit dem Kauf der Produkte eine ganze Tierart ausgerottet wird. Die angebliche Heilwirkung hat keinerlei wissenschaftliche Grundlage, denn eines steht fest: Das Horn besteht ausschließlich aus Keratin – dem gleichen Material wie menschliche Fingernägel. Aber der Irrglaube über die nicht vorhandene Heilwirkung ist nicht der einzige Grund für den Preis. Längst ist Elfenbein ein Statussymbol der reichen Chinesen und Vietnamesen geworden. Noch exklusiver ist natürlich das weitaus seltenere und teurere Horn eines Rhinos, um Freunde und Geschäftspartner zu beeindrucken.

WIESO?

Umso seltener, umso teurer, umso teurer, umso besser – so einfach ist die Rechnung dieses Wahnsinns. Traurig aber die Wahrheit, es ist wichtig nicht wegzusehen und darauf aufmerksam zu machen. Andernfalls ist es bald zu spät.

Meine Erfahrungen und mein Wissen möchte ich nutzen, um weiterhin auf den Konflikt zwischen Wildtier und Menschen hinzuweisen. Freie Nashörner in ihrer natürlichen Umgebung zu fotografieren ist etwas so faszinierend Schönes und fasziniert immer aufs neue! Umso mehr wünsche ich mir, dass dies auch noch den nächsten Generationen vergönnt bleibt. Aus diesem Grund möchte ich zum Schutz der Nashörner so viel beitragen, wie es mir nur irgendwie möglich ist. Aber dafür brauche ich Unterstützung, egal ob in Form von Organisationen, Firmen oder einzelnen ebenfalls begeisterten Menschen.

Artikel des hervorragenden Würzburger Stadtmagazin „LIEBE NACHBARNHerbst/Winter-Ausgabe.

DAS! Zu Gast auf dem Roten Sofa „in Namibia“

Ein Stück Namibia in Hamburg

 

Hey, kennt ihr schon die Sendung als ich Live im NDR „in Namibia“ saß und von Bettina Tietjen interviewt wurde? Einer der angenehmsten TV Auftritte für mich. Klar war ich davor sehr nervös, immerhin war es wieder Live und die Sendung DAS! läuft im Vorabendprogramm! Das bedeute, wenn ich mich verspreche oder ein Black-out habe, sehen das hunderttausende Zuschauer sofort…  Die Nervosität verschwand aber sobald die Sendung live ging. Wie auch bei den vorherigen TV oder Radio Auftritten legt sich bei mir wie ein Schalter um. Die auf mich gerichtete Kameras nehme ich nach den ersten beiden Sätzen überhaupt nicht mehr war. Wieso? Na, ich denke, wenn man über etwas berichten / erzählen kann in dem man Sattelfest ist und für das man brennt – Dann läuft es von ganz allein.

Die Sendung bleibt mir auch deshalb in so angenehmer Erinnerung, weil ich ausgesprochen zuvorkommend und freundlich durch die NDR Mitarbeiter/innen bereut wurde, ich mich über die aufgebaute Namibia-Kulisse gefreut habe und auch weil die eingespielten Beiträge hervorragend auf das Thema abgestimmt waren. Ich freue mich schon auf das nächste Mal! Und jetzt – VIEL SPASS BEIM ANSEHEN

Unfreiwillig in Johannesburg – TEIL II

Dieser Blogeintrag ist Bonusmaterial zu meinem Buch >ÜBERLEBEN<

Denn diese spannende und auch etwas lustige Geschichte hat ganz einfach nicht mehr ins Buch gepasst. Aber zum Glück doch noch seinen Weg in meinen Blog gefunden.

Zweiter Teil meiner Zusatz-Stroy „Unfreiwillig in Johannesburg“.

WICHTIG!!! Lies erst TEIL I, nicht das Du gespoilert wirst…

Viel Spaß beim lesen!

Kampf zweier Nashörner in Namibia
Breitmaulnashörner – mit diesen faszinierende Tieren hatte ich die letzten Wochen in Südafrika gearbeitet.

Orientierung: Gerade eben habe ich die Nashorn-Auffangstation im tiefen südafrikanischen Busch verlassen. Die viele körperliche Arbeit brennt noch in meinen Muskeln. Der „Rhino-War“ und hundert andere Eindrücke drehen sich in meinem Kopf, als ich mich auf den Weg nach Johannesburg mache. Von dort aus soll es weiter gehen ins Nachbarland Namibia, genauer gesagt nach Windhoek. Von der namibischen Hauptstadt werde ich dann weiterreisen auf die Auffangstation in der Kalahari, zurück zu den Raubkatzen und Wildhunden. Soweit der Plan. Doch dann verpasste ich in Johannesburg den letzen Flug nach Namibia…

Ich habe mein Gepäck. Der Fahrer, welcher mich am Flughafen Windhoek abholen sollte weiß genauso wie meine dortige Pension Bescheid, dass ich heute nicht mehr eintreffen werde. Lisa hat mir mit Herrn Grüns Empfehlung ein Hotelzimmer in Johannesburg reservieren können und jetzt fehlt nur noch das Ticket für Morgen. „Nein, wir können ihr Ticket nicht umbuchen, sie müssen ein neues kaufen.“ Aha, Danke auch und wieso musste ich auf diese Antwort so lange warten? Mein Reiseagent klärt mich auf. „Herr Hilpert, mir ist das ganze sehr unangenehm aber leider ist bei South African Airways häufiger mal das Problem, dass etwas angeblich nicht geht was eigentlich ohne Problem gehen würde. Die Mitarbeiter haben meist einfach nur keine Lust. Ich rufe sie in zehn Minuten wieder an, ich denke ich kann das Problem von hier aus lösen.“

Es ist 20:45 Uhr, um 21:00 schließen hier die Schalter. Herr Grün ruft mich tatsächlich pünktlich um fünf vor neun zurück.

Es hat geklappt, ich halte mein vorläufiges Ticket in der Hand und dank ihm muss ich nur eine geringe Umbuchungsgebühr zahlen statt eines komplett neuen Flugs. Der Mann ist wirklich Gold wert, er hat innerhalb von 10 Minuten von seinem Büro in Deutschland aus das geklärt wozu hier direkt vor Ort drei Mitarbeiter nicht in der Lage waren und mich auch noch eine halbe Stunde haben warten lassen bevor sie mir das mitteilten. Dienstleistungsqualität, da gibt es eine sehr große Differenz zwischen Afrika und Deutschland, das ist nicht von der Hand zu weisen.

Nachdem ich Geld gewechselt habe muss ich jetzt nur noch die Stelle finden wovon stündlich ein Transporter zwischen Flughafen und dem Hotel pendelt. Mich langsam wieder entspannend passiere ich eine Gruppe finster dreinblickender Polizisten. Von deutschen Flughäfen kennt man ja die Polizisten, die immer zu zweit patrouillieren, einer trägt dabei meistens eine Maschinenpistole (MP) (Welche fälschlicherweise von jedem als Maschinengewehr (MG) bezeichnet wird. Der Unterschiede zwischen MP und MG ist in etwa so groß wie zwischen einem PKW und einem LKW, kein Polizist läuft mit einem Maschinengewehr herum, keiner! So das musste mal geklärt werden.)

Auf jeden Fall laufen hier die Polizisten nicht zu zweit, sondern zu fünft oder zu acht Patrouille und jeder trägt dabei eine Shotgun/Schrotflinte vor der Brust, die aussieht als wäre sie seit zwei Jahrzehnten täglich im Einsatz.

Die „Deutschen-Themen“

Ich will gerade mit meinen Rucksäcken schwer bepackt in einen Korridor einbiegen, von dem ich denke es könnte der richtige sein, als mich ein Flughafenmitarbeiter in Sicherheitsweste anspricht. Er klärt mich auf, dass ich in die falsche Richtung unterwegs bin und hilft mir den richtigen Weg zu finden. Er begleitet mich sogar bis zu der überdachten Stelle am Rand des Flughafenbereiches. Der dortige Parkplatz wird scheinbar nur für Shuttelservice der Hotels genutzt. Ich möchte mich bei ihm bedanken und verabschieden aber er winkt ab und sagt, dass er mit mir auf den Transporter warten wird, er möchte mich auf keinen Fall hier im Dunkeln alleinstehen lassen. Okay, denke ich etwas irritiert, aber wieso?

Der Smalltalk mit ihm läuft zu Beginn sehr vertraut ab. Die erste obligatorische Frage ist woher ich komme. Wenn ich dann mit Deutschland antworte geht es IMMER um die gleichen Themen, völlig egal ob ich an einer Tankstelle, einem Flughafen, einem Einkaufszentrum, einer Safarilodge, einer Wildtierauffangstation oder mitten im Nirgendwo angesprochen wurde.

Die vorprogrammierten Themen sind: Autos, Fußball, Bier, Ingenieure, Autobahn und wenn ich Pech habe der Österreicher A. Hitler. Besonders unangenehm wird es, wenn der Gesprächspartner den „Führer“ des zwölf Jahre dauernden „tausendjährige Reich“ gut findet, nicht selten sind es dann auch noch dunkelhäutige. Ich frage mich in solchen Momenten immer ob sie es ernst meinen und einfach keine Ahnung haben, oder ob sie denken sie tun mir einen Gefallen ihn gut zu finden. Mein jetziger Gesprächspartner der sich als Walther vorgestellt hat, möchte neben Autos „made in Germany“ aber zum Glück nichts davon wissen. Nein er hat eine andere Frage: „Wieso kommen eigentlich so viele Deutsche nach Südafrika um Elefanten, Löwen usw. zu sehen? Habt ihr selbst keine?“ Das ist etwas, das mir auch schon häufig aufgefallen ist. Vielen Afrikanern ist offensichtlich nicht bewusst, dass es viele Tierarten nur auf ihrem Kontinent gibt, geschweige denn, dass diese dramatisch schnell immer weniger werden. Nachdem ich Walther erklärt habe, dass es bei uns gerade mal noch im Großen und Ganzen, Wildschweine und Eichhörnchen gibt, frage ich ihn ob er selbst schon Elefanten, Löwen, Giraffen oder sogar mal ein Nashorn gesehen hat. Wie die allermeisten seiner Landsleute hat er es nicht, er kennt diese Tiere leider nur aus Büchern.

Elefantenbulle in Erindi Namibia
„Habt ihr denn keine Elefanten in Deutschland?“

Im weiteren Gespräch erfahre ich, dass er bereits seit sechs Uhr am Morgen arbeitet (es ist jetzt kurz vor zehn Uhr am Abend) und dass er gerade mal 600 Meter vom Flughafen entfernt wohnt. Er zeigt die Straße vor uns hinunter und erklärt mir, dass seine Wohnung in dieser Richtung liegt. „So nah, das ist gut dann kannst du ja immer zur Arbeit laufen.“ sage ich ahnungslos an ihn gewandt aber er schüttelt mit dem Kopf. „Nein das geht nicht, ich fahre immer mit Freunden im Auto nach Hause.“ Ich schaue ihn stirnrunzelnd an. „Siehst du das große Haus dort“ er zeigt auf ein Hotel auf der anderen Seite des Parkplatzes, ca. 150 Meter entfernt. „Wenn du an diesem Haus vorbei läufst wirst du überfallen. Die klauen dir da alles und wenn du dich wehrst stechen oder knallen sie dich ab. Es gibt so viel verrückte Leute in dieser Stadt.“ sagt er etwas traurig und schaut zu Boden. Ich blicke ihn entsetzt an.  „Was? Wenn du dieses Hotel passierst dann wirst du überfallen? Nur jetzt in der Nacht oder auch am Tag?“ Er nickt, „Egal welche Tageszeit! Ob du Tourist bist oder Einheimischer interessiert diese Menschen auch nicht.“

Ich erinnere mich an die Geschichten die Karl und Lee erzählt haben. Von Leuten die mit ihrem Fahrzeug an Ampeln standen und dann von blitzschnellen Überfallgruppen aus dem Fahrzeug gezogen wurden. Von Räubern die mit Ziegelsteinen die Scheiben der Fahrzeuge einschmeißen völlig ohne Rücksicht ob sie die darin Sitzenden schwer verletzen oder gar töten. Lee ist es sogar schon selbst vor ein paar Jahren passiert. Die Angreifer mussten jedoch sehr schmerzlich feststellen, dass die kleine drahtige Frau einige Erfahrung im Kampfsport hat. Ja Südafrika hat neben der wunderschönen Natur auch eine sehr hässliche Seite, die enorm hohe Kriminalität.

Wir unterhalten uns fast eine Stunde. So lange bis der nächste Shuttel zum Hotel eintrifft. Es ist ein Kleinbus mit verdunkelten Scheiben und einem niedrigen, massiv wirkenden Anhänger für das Gepäck. Walther und ich verabschieden uns mit Handschlag und wünschen uns gegenseitig ein „Stay safe!“ Fahrer und Beifahrer steigen aus dem Shuttel, sie grüßen mit ernstem Gesicht. Beide tragen schwarze Anzüge mit goldenen Namensschildern des Hotels auf der linken Brust. Der Beifahrer wirkt irgendwie etwas kastenförmig unter seinem Jackett. Und wieso überhaupt sind sie zu zweit? Reicht nicht ein Fahrer? Es hieß doch das Hotel ist nur zwanzig Minuten vom Flughafen entfernt. Als die beiden meinen schweren Rucksack in den Anhänger heben und der Beifahrer sich über diesen beugt kann ich sehen was er unter dem Jackett trägt. Eine Schusssichere Weste und eine Pistole im Schulterholster. Okay, der Mann ist wohl für die Sicherheit während der Fahrt zuständig. Ist „Joburg“ wirklich so heftig? Scheinbar habe ich die Bewohner der Stadt unterschätzt.

So jetzt durchatmen, geschafft, es geht endlich zum Hotel. Ich konnte tatsächlich alles in der kurzen Zeit klären bzw. organisieren. Aber als wäre das nicht genug für heute gewesen, steigen jetzt zwei plötzlich aus der Dunkelheit auftauchend merkwürdige Typen in den Kleinbus. Sie setzten sich auf die Plätze vor mich und ich habe das Gefühl in den Vorspann eines achtziger Jahre Actionfilmes versetzt worden zu sein. Der linke sieht Original aus wie Dolph Lundgren, spricht aber mit tief russischem Akzent, während der rechte eine breitere und jüngere Ausgabe von Al Pacino ist. Er jedoch hat einen anderen Akzent, einen den ich mittlerweile auch gut kenne, israelisch. Was machen diese zwei aufgepumpten Brocken hier!? Ist das eine gemeinsame Aktion von KGB und Mossad? Solche Typen gibt’s doch sonst nur in Hollywood Filmen! Die zwei Actionfiguren da vor mir sollen mich bloß in Ruhe lassen! All das denke ich während ich müde aus dem Transporter auf die vorbeiziehenden nächtlichen Straßen von Johannesburg blicke. Mir reichst für heute mit der Aufregung, ich will jetzt duschen und schlafen, morgen geht es für mich schon wieder um 6 Uhr zum Flughafen zurück.

Fünf Rand für „ganz üble Kerle!“

Der nächste Morgen. Die Nacht war kurz und mein Schlaf noch kürzer. War ein komisches Gefühl einen ganzen Raum inkl. Bad wieder für sich allein zu haben. Ich nehme meinen schweren Reiserucksack und betrete beim ersten Tageslicht wieder den Flughafen von Johannesburg. Kaum habe ich das getan spricht mich ein hochgewachsener junger dunkelhäutiger Mann an. Wo ich denn hin möchte will er wissen. Er trägt ein perfekt sitzendes Hemd und teuer wirkende Schuhe, allgemein ein sehr sauberes Erscheinungsbild – im Gegensatz zu mir, ich sehe immer noch wie ein Ranger frisch aus dem Busch aus, zum mindestens war das letzten Abend Walthers Meinung.

Ich sage ihm zu welchem Schalter ich muss und denke mir nichts dabei. Walther hat mir gestern ja auch einfach so geholfen. Er führt mich über einen angeblich schnelleren Weg durch den Flughafen und ist dabei ausgesprochen freundlich. Wir erreichen den Schalter. Eine uniformierte Mitarbeiterin von South African Airways um die vierzig sitzt lesend dahinter. Sie blickt auf, sieht zuerst mich an dann den aus dem Ei gepellten Typen, der mich hierhergeführt hat. Ihr Blick verwandelt sich innerhalb von Sekunden von neutral über eiskalt bis hin zu „wenn Blicke töten könnten“. Der perfekt gestylte, angeblich hilfsbereite Kerl dreht sich auf dem Absatz um und rennt einfach weg. Was war das?! „Haben sie den Mann bezahlt?!“ donnert die Stimme der Flughafenmitarbeiterin mir entgegen. „Ich, was? Nein wieso sollte ich?“ frage ich verwirrt. „Das ist verboten! Sie dürfen solchen Leuten kein Geld geben! Das sind Verbrecher! Ganz üble Kerle! Die rennen mit ihrem Gepäck weg und was machen sie dann?!“ will sie wütend und mit finsterem Blick von mir wissen. Was zur Hölle ist denn jetzt schon wieder los? Ich habe niemandem irgendetwas gegeben! „Ich habe ihm kein Geld gegeben.“ sage ich und erwidere ihren Blick. „Gut“ ist ihre kurze Antwort und sie nimmt schweigend meinen Reisepass und mein vorläufiges Ticket entgegen. Während sie die Daten in den Rechner eingibt und mir mein richtiges Ticket wieder ausgibt spricht sie jetzt ruhig weiter. „Der wird wiederkommen, wenn sie hier fertig sind. Geben sie ihm maximal fünf Rand (Das sind in etwa 33 Cent), lassen sie sich in keine Gespräche verwickeln und vertrauen sie nur Leuten in Sicherheitswesten mit Ausweis. Begeben sie sich einfach auf dem schnellsten Weg in den Check-in-Bereich.“ Ich will mich gerade für ihre Aufklärung bedanken als sie den Finger hebt und hinzufügt: „Und gehen sie nicht den Weg zurück, den sie gekommen sind, gehen sie vorne herum. Dort wo die Polizisten stehen.“ Sie deutet nach „vorne“ ich folge ihrer Richtungsangabe und kann fünf Polizisten mit ihren Shotguns sehen die sich an einem Geländer anlehnen. „Dann wird er sich wahrscheinlich erst gar nicht trauen ihnen zu folgen“.

Wiedersehen

Im Check-in-Bereich angekommen frühstücke ich erst mal entspannt. Der Kerl, der wie aus einem Mode-Katalog aussah ist nicht mehr aufgetaucht und die 5 Rand Münze, die ich mir für ihn zurechtgelegt hatte kann ich gleich dem Trinkgeld für das Frühstück hinzufügen.

Ich ziehe mein Tagebuch aus dem Rucksack und schreibe in Ruhe all das auf was mir in den letzten 24 Stunden passiert ist. Die Uhr behalte ich dabei ganz genau im Blick. Eine gute Stunde vor dem Boarding laufe ich schlendernd zum Flugsteig. Ich schaue links und rechts in die Läden, passiere den Outdoorshop aus dem ich gestern gestürmt bin und erreiche fast die Treppe zum Flugsteig als mir jemand in einem Souvenirshop auffällt. Ich muss grinsen, freue mich schon auf die Reaktion der Person und trete von hinten an sie heran. „Entschuldigen Sie, sind sie zufällig Prinzessin Swildan?“. Lili dreht sich in Zeitlupe um, als wir uns ansehen fallen wir beide in schallendes Gelächter. „Was zur Hölle machst du denn hier? Solltest du nicht in Namibia sein?“ ist ihre erste begründete Frage nachdem wir wieder Luft haben. Ich erzähle der schwedischen Volontärin, mit der ich die letzten Wochen auf der Nashornauffangstation einige Abenteuer erlebt habe, in Kurzform was passiert ist. Während ich berichte schüttelt sie immer wieder grinsend den Kopf. Nach zehn Minuten gutgelauntem Austausch verabschieden wir uns nun zum zweiten Mal und ich wünsche ihr wieder viel Spaß auf Madagaskar – ihrem nächsten Resieziel. Für mich wird es jetzt endlich, mit einem Tag Verzögerung, wieder Zeit Namibia zu erleben. Ich freu mich drauf.

Junger verwaister Gepard in Namibia
Mein Ziel in Namibia – zurück zu den Raubkatzen.

Ende meiner „Outtake“ Bonus-Story, wies weiter geht erfahrt ihr natürlich in meinem Buch.

Ich hoffe es hat euch Spaß gemacht zu lesen!

Unfreiwillig in Johannesburg – TEIL I

Dieser Blogeintrag ist Bonusmaterial zu meinem Buch >ÜBERLEBEN<

Denn diese spannende und auch etwas lustige Geschichte hat ganz einfach nicht mehr ins Buch gepasst. Aber zum Glück doch noch seinen Weg auf meinen Blog gefunden.

Erster Teil meiner Bonus-Stroy „Unfreiwillig in Johannesburg“.

Viel Spaß beim Lesen!

Care for Wild - Rhino Sanctuary
Gerade eben noch auf der Rhino Sanctuary abseits der Zivilisation. (Foto: Tom Bickles, Februar 2017)

Orientierung: Gerade eben habe ich die Nashorn-Auffangstation im tiefen südafrikanischen Busch verlassen. Die viele körperliche Arbeit brennt noch in meinen Muskeln. Der „Rhino-War“ und hundert andere Eindrücke drehen sich in meinem Kopf, als ich mich auf den Weg nach Johannesburg mache. Von dort aus soll es weiter gehen ins Nachbarland Namibia, genauer gesagt nach Windhoek. Von der namibischen Hauptstadt werde ich dann weiterreisen auf die Auffangstation in der Kalahari, zurück zu den Raubkatzen und Wildhunden. Soweit der Plan.

Landung in der berüchtigten Stadt Johannesburg. Der Flug, mit dem ich ankomme, wäre fast wegen Unwetter abgesagt worden aber wir hatten Glück und die Maschine konnte abheben bevor das Gewitter den kleinen Flughafen erreichte.

„Joburg“ wie ihr Spitzname lautet, ist nicht wirklich eine Stadt, die mich reizt, aber sie ist nun mal ein Knotenpunkt für den Flugverkehr im südlichen Afrika. Die Stadt galt einige Jahre als gefährlichste Stadt der Welt, zusammen mit den hier erfahrenen Erlebnissen die mir ein paar Leute von der Nashorn-Auffangstation im Vorfeld erzählt haben wirkt die Stadt nicht gerade einladend und alles andere als sicher. Beim Hinflug hatte ich gerade mal vierzig Minuten Zeit zum „umsteigen“ in meine nächste Maschine Richtung Nashorn-Auffangstation und auch jetzt bin ich froh, dass ich hier nur ein paar Stunden Aufenthalt am Flughafen habe bevor es um halb acht abends weiter nach Namibia geht.

Okay Sebastian jetzt bist du nicht mehr im tiefen Busch, sondern in der Zivilisation, sage ich zu mir selbst und beobachte die mir fremd gewordenen hektischen Menschenmassen. Ich schaue auf die Uhr, fast vier Stunden noch bis zum Abflug, mehr als genug Zeit um die paar Kleinigkeiten, die ich mir auf einer Liste zusammen geschrieben habe zu besorgen. Unter anderem brauche ich ein neues Tagebuch, Sonnencreme, eins zwei Souvenirs und eine neue Kappe wäre auch gut. Meine alte ist durch Schweiß, Dreck und die starke Sonne ziemlich „fucked up“.

Vertraute Laute in Johannesburg

Während ich den Schildern folge höre ich es plötzlich wieder, vertraut und doch fremd – die deutsche Sprache. Tatsächlich kleine Touristengruppen in karierten Kurzarmhemden, mit unter den Arm geklemmten Jack-Wolfskin Jacken und schlecht gelaunten Gesichtern überholen mich. Ja das sind sie, die Deutschen, denke ich und vergesse kurz das ich selbst einer bin. Nur die weißen Tennissocken in Sandalen sehe ich zum Glück nicht, hat sich wohl endlich nach ein paar Jahrzehnten überall herumgesprochen wie bescheuert das aussieht. Ich fühle mich fast wie ein Naturforscher, der eine äußerst interessante Spezies beobachtet, meine eigene.

Breitmaulnashorn Bulle by Sebastian Hilpert
Die Spezies mit der ich in den Wochen vor Johannesburg am meisten zu tun hatte.

Den weitläufigen Flughafen erkundend, bleibe ich immer dann lauschend stehen, wenn ich eine Touristengruppe deutsch sprechen höre. Denn ich freu mich nach den vielen Wochen, in denen ich mich auf Englisch austauschen konnte jetzt wieder meine vertraute Sprache zu hören. Doch was ich höre schockt mich, mehr als achtzig Prozent der Gespräche und Äußerungen sind negativ. Sie alle sind mit ihren sauberen Klamotten auf dem Weg in den Urlaub oder kommen gerade aus diesem und haben nichts Besseres zu tun als sich am laufenden Band über Lächerlichkeiten zu beschweren. Sie meckern über die Kaffeepreise der Restaurants, sie sind unzufrieden darüber, dass niemand vom Flughafenpersonal deutsch spricht (Hallo wir sind hier in Südafrika und nicht auf Sylt!) und sie wirken fast alle enorm gehetzt, sind aber gleichzeitig genervt davon, dass sie „noch solange“ auf ihren Flug warten müssen.

Ich selbst stehe mit meiner oliv und khakifarbigen Kleidung, aus der der Dreck der letzten Wochen nur notdürftig gewaschen ist, daneben und staune. Der Großteil meiner Landsleute fliegt offensichtlich nur in den Urlaub, um zur Abwechslung auch mal außerhalb von Deutschland schlechte Laune zu haben. Ich bin wirklich entsetzt. Natürlich gibt es auch Ausnahmen aber die meisten der vierzig bis siebzig Jährigen sind hier von Grund auf negativ. Und aus dieser Altersklasse kommen mit Abstand die meisten der deutschsprachigen Touristen, die mir hier begegnen. Bin ich auch so? War ich mal so? Grundsätzliche Negativität trotz Luxus? Uns geht es im Vergleich zu den allermeisten Ländern doch verdammt gut. Wir sind ein demokratischer Rechtsstaat, haben immer fließend Wasser, Strom und eine funktionierende Infrastruktur. Wir haben sogar ein Sozialsystem und ein Gesundheitssystem. Auch wenn diese beiden Systeme sicherlich ausbaufähig sind, wir haben sie und das ist keine Selbstverständlichkeit. Milliarden Menschen in anderen Ländern können von unseren Sicherheiten und Freiheiten nur träumen. Doch statt das zu schätzen meckern wir lieber, suchen nach dem Haar in der Suppe und haben scheinbar Angst vor jeder Art von Veränderung.

So etwas passiert nur anderen

Mich beschäftigt das auffallend negative Verhalten der deutschen Touristen so sehr, dass ich fast die Zeit vergesse. Kontrolle, die Uhr sagt mir, dass ich noch dreißig Minuten bis zum Boarding habe, genug Zeit, um nach einer neuen Kappe in dem Outdoorshop zu sehen. Aus den Lautsprechern krächzen immer wieder mal halb verständliche Durchsagen, meist Personenaufrufe die Gefahr laufen ihre Flieger in Kürze zu verpassen. Ich frag mich wer so knapp anreist, dass er wirklich Gefahr läuft seinen Flug zu verpassen. Klar kann immer wieder mal etwas dazwischenkommen, aber das muss man eben mit genug Puffer einkalkulieren. Flug verpassen, nein so etwas wird mir mal nicht passieren.

Ich finde und bezahle eine grüne unkomplizierte Kappe. Nach etwas Smalltalk mit der Verkäuferin will ich gerade wieder mein Flugticket einstecken, welches man zum Zahlen vorzeigen muss als ich nochmals auf die Abflugzeit schaue. Die jetzt ist! Ströme von Hitze und Kälte durchfahren mich wellenartig von einer auf die andere Sekunde. Ich stürme so schnell ich kann in Richtung meines Flugsteiges. Weiche erschrockenen Menschengruppen aus und bleibe an eins zwei unvorsichtigen Personen hängen. Verdammt war ich wirklich so sehr abgelenkt, dass ich ausversehen die Abflugzeit mit Boardingzeit verwechselt habe?! Ja war ich verflucht nochmal! Ich haste die Treppen hinunter zu meinem Flugsteig, aber ich kann bereits sehen, dass er geschlossen ist, kein Mensch steht mehr dort.

In Südafrika, zurück nach Südafrika…

Was mach ich jetzt? Ich steuere die erste Flughafenmitarbeiterin an die ich finden kann. Sie erklärt mir, dass ich zur Information Station muss, evtl. gibt es ja heute einen weiteren Flug nach Windhoek auf dem noch ein Platz frei ist. Okay, das mach ich, denke ich mit stark erhöhtem Puls und ärgere mich unendlich über mich selbst. Verschwitzt und gestresst erreiche ich die Information. Der Mitarbeiter teilt mir mit, dass heute kein weiterer Flug nach Namibia geht, ich habe den letzten des Tages verpasst. Fuck! FUCK!! FUUUCK!!! „Sie müssen bei der Airline einen neuen Flug für Morgen buchen, heute geht definitiv nichts mehr.“ sagt er freundlich. Heute geht nichts mehr, ich versuche das zu verarbeiten, das bedeutet ich muss in Johannesburg übernachten! Aber wo? „Doch zuerst müssen sie wieder in Südafrika einreisen.“ ergänzt er noch. „Ich muss was?“ frage ich völlig verwirrt. Ich befinde mich doch noch in Südafrika. „Laut Reisepass sind sie bereits ausgereist und befinden sich in Richtung Namibia. Sie müssen jetzt erst mal wieder rückwärts durch alle Kontrollen bis zur Passkontrolle und sich dort eine Verlängerung von mindestens einem Tag geben lassen.“

Sebastian Hilpert pflegt Gepard in Namibia
Ziel meines verpassten Fluges – die Auffangstation in Namibia auf der ich bereits 2015 arbeitete.

Als passenden Soundtrack für meine folgende einstündige abendliche Hetzjagd durch den Flughafen von „Joburg“ würde ich wohl etwas von KORN wählen. Laut, hektisch aggressiv, ja das würde passen.

Mit rotem Gesicht und schwitzend haste ich durch die Gänge des Flughafens und frage mich im kurzen Kommandoton kommunizierend von einer Stelle zur nächsten. Währenddessen telefoniere ich mit Lisa (meine damalige Partnerin), die mein unerwarteter Anruf in der heißen Badewanne im eiskalten Deutschland überraschte. Sie wiederum kontaktiert meinen Reiseagenten, Herrn Grün. Einer der wohl am meist entspannten Menschen Mitteleuropas. Er erklärt mir in völlig ruhigen Ton, dass eine Sache in Johannesburg elementar ist. Das Gepäck! Ist es hier einmal weg taucht es auch nicht wieder auf. „Aber ist das nicht jetzt schon auf dem Weg nach Namibia?“ will ich von ihm wissen. „Nein, wenn sie nicht an Bord gegangen sind wird Ihr Gepäck wieder entladen. Finde sie ihr Gepäck als erstes, alles andere können wir danach regeln. Ich schaue mich schon mal für Sie nach verfügbaren Hotels in Johannesburg um.“ Gut, seine Ruhe ist so stark das sie ansteckend wirkt.

OFF LOADED

Mittlerweile bin ich auch wieder laut meines Reisepasses in Südafrika. Auf der Suche nach meinem Gepäck werde ich immer weiter in die Eingeweide des Flughafens gelotst. Andere Touristen sehe ich hier gar nicht mehr. Hin und wieder sitzen ein paar sehr entspannt wirkende Flughafen Mitarbeiter auf Plastikstühlen und sorgen dafür, dass ich mich nicht völlig verlaufe. Endlich komme ich in eine Halle in der sicherlich zwei bis dreihundert Gepäckstücke aufgereiht in zwei Linien liegen. „Alle von heute“ sagt ein an der Wand lehnender grinsender Mann mit Sicherheitsweste. Ich gehe die Gepäckreihen ab, doch mein olivfarbener skandinavischer Wanderrucksack ist nicht dabei. Der Sicherheitswesten-Typ sagt, dass ich es noch in einem Bereich ca. 200 Meter von hier versuchen kann, das wäre die letzte Möglichkeit wo mein Gepäck sein könnte. „Und wenn es dort nicht ist?“

Er zuckt mit den Schultern, okay nicht aufgeben weiter gehen. Ich erreiche nach 200 Metern eine Einbuchtung, in der ein einzelner grauhaariger Mitarbeiter sitzt, neben ihm sind genau drei Gepäckstücke, meines ist nicht dabei. FUCK! Brülle ich in Gedanken. Was mach ich jetzt? Eine Klappe im Boden hinter dem Mann wird plötzlich von außen aufgeschoben. Lauter Fluglärm schlägt uns aus der Luke entgegen und ich kann ein Stück Flugbahn sehen. Ein Rucksack wird von außen in die Einbuchtung gehoben. Er ist olivgrün ein großer roter Aufkleber klebt auf ihm. „OFF LOADED“ steht darauf. Ich atme auf, es ist tatsächlich meiner.

Fortsetzung der Story

Ende des ersten Teiles meiner Zusatzstory, wie es weiter geht, welche komischen Gestalten mir noch in der Stadt begegnete, warum mein Flug nicht umgebucht wurde und wo ich überhaupt übernachten konnte – alles nächste Woche im Teil II von „Unfreiwillig in Johannesburg“.

„ÜBERLEBEN“ DAS BUCH

ES IST SOWEIT! MEIN BUCH IST DA!!!

Ich platze vor Aufregung und Freude! Nach knapp eineinhalb Jahren intensiver Arbeit ist jetzt mein erstes Buch veröffentlicht worden! Wie ihr oben im Video seht fehlen mir etwas die Worte! Die Gefühle spielen einfach verrückt…

All meine abenteuerlichen Erlebnisse und Erfahrungen in Namibia und Südafrika sind in dieses mir unglaublich wichtige Herzensprojekt geflossen. Ich freu mich so sehr das jetzt endlich alles mit euch teilen zu können! Intensiv gefühltes Afrika, außergewöhnliche Wildtier Begegnungen, Hintergründe zu Safari, Volontärs Arbeit, Jagd und Wilderei. Schlicht, über das dortige Leben und Überleben. So nah, ehrlich und persönlich geschrieben wie es mir möglich war. Dazu viele eindrucksvolle Fotos und weiteres Bonusmaterial! Schaut einfach mal rein! Das Buch ist in allen Buchhandlungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz zu haben. Ansonsten ist es natürlich auch online bestellbar.

Link zur Online Bestellung: ÜBERLEBEN

DIE OFFIZIELLE BUCHBESCHREIBUNG:

„Tief im südlichen Afrika, inmitten berauschender Landschaften, wo Geparden ihm den Kopf putzen, Erdmännchen sich in seiner Achillessehne verbeißen und er einem Spitzmaulnashorn zu Fuß begegnet, erlebt Sebastian Hilpert Abenteuer, die er sich nie hätte vorstellen können. Zwölf Jahre war er Soldat und hatte sich am Ende so weit von sich selbst entfernt, dass er in eine Depression stürzte. Der Weg der seelischen Heilung führt ihn zu verwaisten Raubkatzen in der Kalahari und weiter auf eine Nashorn-Auffangstation in Südafrika, wo der Rhino War, der Krieg um die letzten Nashörner, erbarmungslos wütet. Als Volontär kümmert er sich um verwaiste und verletzte Tiere, zieht Karakale und Nashörner mit der Flasche auf und lernt die Härte der Natur wie auch die Skrupellosigkeit der Wilderer aus erster Hand kennen. Später reist er als Fotograf durch die beeindruckende Weite Namibias und arbeitet als Wildhüter in einem Wildtierreservat.
Ein Buch voller Engagement und Abenteuer in nahezu unberührter Natur und zugleich eine Geschichte des inneren Wachstums, die uns an die Verantwortung erinnert, die wir tragen: gegenüber den Lebewesen dieser Erde und uns selbst.“

 

Mein Rückblick auf 2017

Wildhüter Sebastian Hilpert mit Beagle Welpen Stouter Kabouter in Namibia

Ein ereignisreiches und erkenntnisreiches Jahr liegt hinter mir.

Nachdem meine Militärdienstzeit nach 12 Jahren zu Ende ging hieß es für mich gleich Anfang Januar „zurück nach Afrika“. Erst in den Südafrikanischen Busch auf eine Nashorn-Auffangstation um dort als Volontär die Auswirkungen des „Rhinowar“ hautnah zu erleben. Gleich im Anschluss weiter um den Rest des Februars und den März auf der Wildtierauffangstation in der namibischen Kalahari zu verbringen wo vor fast drei Jahren meine Afrika-Leidenschaft begonnen hat. Nach nur einem Monat Pause und reparieren meiner Kamera in Deutschland ging es im April/Mai wieder nach Namibia, diesmal selbstständig als Fotograf auf Safari. Höhepunkt des Jahres war dann im August und September meine insgesamt fünfte Namibia-Reise. Zu Gast bei namibischen Freunden, wo ich die Möglichkeit hatte sie bei der täglichen Arbeit auf einem riesigen privaten Wildtierreservat zu begleiten. Wildtiermanagement und Antiwilderer Patrouillen waren hier der klare und blutige Schwerpunkt.

So viele neue Erlebnisse, Eindrücke und interessante Menschen durfte ich dieses Jahr kennenlernen. Tausende von Bildern aufnehmen. Doch, 2017 war ein tolles Jahr, wenn auch nicht immer alles super positiv oder leicht zu verdauen war, aber alle Erkenntnisse waren und sind wichtig.
Danke an alle die mich dieses Jahr in welcher Form auch immer unterstützt haben! Ich wünsche euch ein tolles und erfolgreiches Jahr 2018!!!

Ps. Der kleine Beagle Welpe den ich auf dem Foto im Arm habe gehört meinen namibischen Freunden und war im August/September mein ständiger Begleiter.

„Rhino-War“ Der Krieg um die letzten Nashörner

Sibeva das Nashorn-Waisenkind wird gefüttert.
Kleines verwaistes Breitmaulnashorn

Es ist angenehm heute Morgen um 06:30. In etwa 23 Grad, die Sonne steht noch tief und hat noch nicht alle Teile des Tales erreicht in das ich so eben laufe.

Dieser Tag wird noch heiß, sowie wie die letzten Wochen wird es bereit um elf Uhr über 33 Grad sein. Dazu kommt die hohe Luftfeuchtigkeit, die einen bei der körperlichen Arbeit regelrecht zerlaufen lässt.
Die Hügel um mich sind stark bewachsen, einzelne große Felsen in braunrot stechen aus dem saftigen Grün heraus.
Die Luft ist noch frisch und von Vogellauten und Insektensurren erfüllt. Seit 05:30 bin ich auf den Beinen, geweckt von Löwengebrüll das durch die offene Tür und Fenster deutlich hörbar ist.
Meine Unterkunft ist eine löchrige Hütte aus dünnem Holz an dem Hang eines Hügels der wie die komplette Umgebung mit saftige grünen bewachsen ist. Amarula- und Mangobäume gehören dazu, ich fühle mich wie in einem Naturparadies.

Wo bin ich, was tue ich

Den Raum der meine Unterkunft darstellt, ist ca. 10 Quadratmeter groß und ich teile ihn genauso wie das kleine Badezimmer (ohne Spiegel) mit drei anderen Mitbewohnern. Dabei handelt es sich in den ersten 2 Wochen um drei Mädels (Schweden, Südafrika, USA).
Die junge Amerikanerin geht mir nach 2 Wochen so sehr auf die Nerven, das ich die Hütte wechsele und bei den „Älteren“ einziehe.

Die Tage sind gut ausgefüllt und neben den beobachten des Verhalten der Tiere, Füttern und ausmisten fallen immer wieder unterschiedliche Zusatztaufgaben an. So müssen z. B. gefällte Mangobäume wegtransportiert werden. Was einen nicht nur durch die körperliche Arbeit zum stark Schwitzen bringt, sondern auch die Tatsache das die eine oder andere Spinne in Untertellergröße „Hallo“ sagt. Schlangen sehe ich in vier Wochen nur drei, dafür einige Skorpione (Immer schön unter die Sitzkissen schauen BEVOR man sich hinsetzt) und häufig Tausendfüßler, Baboonspiders und andere große Insekten. Man gewöhnt sich dran…

Die Landschaft Südafrikas
Der Blick über die Landschaft ist atemberaubend. Blick von der Scheune ins Tal.

Die erste Woche war hart, die starke Temperaturumstellung, der „Kulturschock“ und vor allem die Sprache hat mich gefordert. So bin ich in der Gruppe der Volontäre der einzige deutschsprachige. Die meisten der andern 8 -16 Freiwilligen kommen aus den USA, UK oder Australien und somit „Muttersprachler“. Dazu kommt noch, dass jeder einen anderen Dialekt spricht. Südafrikanisch, Südaustralisch, Israelisch, US Westküste, US mittlerer Westen, Oxford, skandinavisch, Westaustralisch, Irisch… Jeder spricht die Worte anders aus und so bin ich in der ersten Woche mit meinen mittelmäßigen Englischkenntnissen damit beschäftigt überhaupt etwas zu verstehen. Von Woche zu Woche wurde es einfacher für mich und jetzt im Nachhinein denke ich, etwas Besseres hätte mir wohl nicht passieren können.
Doch wieso sind all diese Leute hier? Als Freiwillige im afrikanischen Busch, wo das Wasser aus der Leitung auch mal rotbraun sein kann. Der Strom nicht selbstverständlich ist und Zecken sowie Moskitos einen Alle möglichen Krankheiten geben möchten?

Sebastian Hilpert und die Opfer des Rhino-War
6 Liter in unter 3 Minuten, für die kleine Sibeva kein Problem 🙂

Es sind Studenten, Geschäfts-Manager, Hausfrauen, angehende Tierärzte, Anwälte und ehemalige Soldaten aller möglichen Nationen. Und sie alle wollen ihren Beitrag zur Erhaltung einer Tierart leisten die kurz vor der Ausrottung steht. Dem Nashorn, alle Nashornarten stehen kurz davor nicht mehr zu existieren obwohl sie bereits seit 50 Millionen Jahren diesen Planeten bewohnen. Aber wieso stehen sie eigentlich kurz vor dem Aussterben?

Die Antwort ist recht simpel und traurig – „Rhino-War“

Es geht darum zu verhindern das die noch verbliebenen Nashornarten aussterben. Der Preis für das Horn das Nashorn per Gramm in Asien ist momentan über den von Kokain, Gold oder Diamanten. Und das alles nur wegen solch beschränkten fernöstlichen Irrglauben wie z. B. das es die potenzsteigernd ist. Auch wird es als Statussymbol in China gehandelt. Die Wilderei hat solche überhand genommen das die Wilderer mit Nachtsichtgeräten, hoch modernen vollautomatischen Gewehren und Schalldämpfern ausgestattet sind. Selbst Hubschrauberpiloten die zur Kontrolle die Gebiete abfliegen tragen mittlerweile Schusssicherewesten da bereits Piloten von Wilderen vom Boden aus erschossen wurden.

Breitaulnashorn Waise auf Care for Wild in Südafrika
Gerade mal 1 Jahr alt und schon an die 350 kg

Doch was tun die Wilderer eigentlich?

Die Nashörner werde erschossen oder angeschossen um dann die Hörner aus dem Gesicht gehackt oder gesägt zu bekommen. Wenn es sich um eine Nashornmutter mit Kalb handelt, wird das Baby ignoriert, da es noch kein Horn hat. Versucht es seiner Mutter zu helfen so wird es von Wilderern mit Macheten oder mittels Gewehr vertrieben. Hier auf der Wildtierauffangstation für Nashornwaisen haben wir z. B. Nashornbabys mit Narben am Kopf die von Macheten stammen. Eines hatte eine faustgroße Schussverletzung an der Schulter, die aber durch guter Behandlung mittlerweile verheilt ist.
Sobald die Wilderer dann mit dem Horn abgezogen sind bleibt das Kleine verletzt zurück. Der Geruch lockt dann natürlich Raubtiere an und dem Nashornbaby steht eine extrem heftige Zeit bevor, wenn es nicht zeitnah von Rangern, Soldaten oder anderen Patrouillen entdeckt wird.

Also man sieht die Wilderer schrecken vor nichts zurück. Dementsprechend ist das ca. 46 000 Hektar große Gebiet, in dem sich die Auffangstation befindet auch abgesichert. Mehrere elektrische Zäune, Wachen, Patrouillen zu Fuß, Patrouillen zu Pferd, Patrouillen mit belgischen Schäferhunden etc.
Und mitten drin eine kleine Anzahl Volontäre aus aller Welt die sich mit Fachpersonal um die Nashornwaisen und andere Tiere kümmern.

Was für ein Ort, was für eine Zeit.